Helga König im Gespräch mit Karl Feldkamp, freier Autor, Essayist und Aphoristiker

Lieber Karl Feldkamp, Sie sind freier Autor und schreiben derzeit Essays, Rezensionen, Kurzgeschichten,  Lyrik sowie  Aphorismen.

Helga König: Was bedeutet für Sie Mitmenschlichkeit? 

 Karl Feldkamp
Foto: Barbara Feldkamp
Karl Feldkamp: Als getaufter, inzwischen aber aus der Kirche ausgetretener Katholik bin ich dennoch vor allem christlich geprägt. Mitmenschlichkeit ist für mich ohne (christliche Nächsten-)Liebe nicht denkbar. Mitmenschlichkeit umfasst für mich alles, was dem friedlichen und liebevollen Zusammenleben von Menschen dient. Dazu gehören auch Versöhnung und das Verzeihen von Taten gegen Einzelne und die soziale Gemeinschaft. 

Helga König: Und was verstehen Sie unter Fairness? 

Karl Feldkamp: Sie bedeutet für mich vor allem Chancengleichheit. Wenn dabei auf unserem Planeten noch eine gerechte Verteilung von Besitztümern herauskommt, so ist das gesellschaftlich zwar anzustreben, aber bleibt doch wohl eher utopisch. Zu Gesprächen und einer fairen verbalen Auseinandersetzung gehören für mich Offenheit und die gegenseitige Wertschätzung der jeweiligen Meinungen sowie der Verzicht auf absichtlich herabsetzende persönliche Beleidigungen. Alles, was unter die viel zitierte Gürtellinie geht, ist für mich in jedem Fall unfair. 

 Helga König
Helga König: Sie schreiben: "Manche Menschen lieben ihre Freiheiten so sehr, dass sie diese ungern anderen Mitmenschen zugestehen." Wodurch kommt das Ihrer Meinung nach und welche Folgen hat dies? 

Karl Feldkamp: Die eigene Freiheit endet bekanntlich nicht erst seit Kant dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt. Um Macht auszuüben, nehmen sich allerdings Machthaber die Freiheit, ihren Untergebenen Freiheiten zu entziehen. In einer gelingenden Demokratie sollten möglichst allen Bürgern in gleichem Maß alle Freiheiten zustehen. Jedoch lassen sich nicht nur in kapitalistischen Systemen Freiheiten zum Beispiel durch den Erwerb von Grund und Boden erkaufen. Und so kann der Eigentümer zum Beispiel auf großem Privatbesitz sich Freiheiten herausnehmen, die sich Menschen mit geringem Besitz nicht leisten können. Mit Geld und guten Anwälten lassen sich u.a. zudem manche (Straf-)Freiheiten erkaufen.

Helga König: Sie schreiben auch "Menschen sind leicht zu verführen, wenn man vorgibt, sie für einmalig und überragend zu halten." Wie lässt sich dies jungen Menschen, ohne mahnend den Zeigefinger zu erheben, am besten vermitteln? 

 Karl Feldkamp
Foto: Barbara Feldkamp
Karl Feldkamp: Am besten lässt es sich vermitteln, indem ihnen ermöglicht wird, Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein zu gewinnen, denn gerade weniger sichere junge Menschen sind besonders leicht zu verführen. Allerdings bedeutet Selbstsicherheit nicht automatisch immer der Stärkere zu sein. Sich seiner Schwächen und Stärken bewusst zu sein, vermittelt Sicherheit gegenüber den eigenen Fähigkeiten und Unfähigkeiten. Das gilt übrigens für alle Altersstufen und nicht nur für junge Menschen. Und nicht zuletzt sind eine liebevolle und achtsame familiäre Umgebung sowie überzeugende kognitive und emotionale Bildungsangebote unverzichtbar 

 Helga König
Helga König: Können Sie etwas mehr zu dem nachstehenden Gedanken von Ihnen sagen? "Nicht die Angleichung künstlicher Intelligenz an die des Menschen ängstigt mich sondern, dass der Mensch sich der künstlichen Intelligenz anzugleichen versucht."

Karl Feldkamp: Die Arbeitswelt, aber auch unser Privatleben sind inzwischen ohne Computer und Smartphone kaum noch denkbar. Die Unterscheidung zwischen dem tatsächlichen Leben und den digitalen Welten wird mit jeder neuen App und jedem neuen Programm mühsamer. Ja, für uns gehört deren Nutzung längst auch zum realen Leben. Und gerade deswegen halte ich es für absolut notwendig, dass der Mensch mit seiner Intelligenz alle diese Medien weiterhin beherrschen kann und will und sich nicht von ihnen irgendwann unbegrenzt manipulieren lässt und hofft, damit einmalig und überragend zu werden. Die Medien sollten als nützliches Werkzeug des Menschen und nicht als Machtmittel über ihn dienen.

Helga König: Eignet sich folgender Satz dazu, ihn speziell jungen Menschen auf den Weg mitzugeben und wenn ja, weshalb? "Kunst hilft, an Tatsachen nicht zu verzweifeln."

 Karl Feldkamp
Foto: Barbara Feldkamp
Karl Feldkamp: Computer sind berechen- und programmierbare Hilfsmittel und sollten es bleiben. Kunst lässt Träume und weitreichende Phantasien zu. Damit können auch junge Menschen in Welten jenseits der wissenschaftlich berechneten und berechenbaren Realität vordringen. Zum Glück ist nicht alles mit Zahlen zu erfassen. Daher sollten in Kindertagesstätten und Schulen auch musische Fächer zu den Hauptfächern gezählt werden. Im übrigen ist Computerkunst nicht die Kunst des Computers sondern die seiner Programmierer. 

 Helga König
Helga König: Sie schreiben: "Kinder haben eine gewisse Logik. Erwachsene sollten mit Widersprüchen leben können.“ Wieso sollten wir das?

Karl Feldkamp: Kinder haben einen zumeist noch unverstellten Blick von der Wirklichkeit und entwickeln daraus ihre einfache und für sie relativ gut lebbare Logik. Diese wird von Erwachsenen gern belächelt, da sie nicht mehr deren ungleich größeren Erfahrungen entspricht. Im Laufe ihres Lebens haben sie diverse Widersprüche kennenlernen müssen, die allerdings durchaus ihren Werten zuwider laufen. Dennoch gilt es, damit zu leben, ohne die notwendigen eigenen Werte aufzugeben. Denn wer an jenen Widersprüchen zerbricht, wird sie kaum nachhaltig verändern können . So ist der Liebe keineswegs gedient, wenn ich wegen der Gewalt und des Hasses resigniere und mein Eintreten für den Frieden aufgebe. 

Helga König: "Ihre Boshaftigkeit können wir nicht verleugnen. Dennoch gilt es zu leben, als ob eine bessere Menschheit möglich sei." Welchen Sinn hat dies? 

 Karl Feldkamp
Foto: Barbara Feldkamp
Karl Feldkamp: Ich halte es mit Martin Luther Kings "I have a dream." Natürlich werden immer wieder Kriege geführt und gerade zurzeit drohen nicht nur diktatorische Machthaber einiger Länder mit Kriegen. Andere führen sie bereits. Wenn ich mich jetzt dahingehend realistisch gäbe, dass Kriege unvermeidlich seien, arbeitete ich der Rüstungsindustrie und den Kriegstreibern zu. Nun habe ich nicht die Macht, Kriege wirkungsvoll und umgehend politisch zu verhindern. Aber ich kann versuchen, meinen inneren Frieden sowie den mit meinen Nachbarn, Freunden und anderen Mitmenschen zu leben. Im übrigen versuche ich, weder verbal, noch psychisch oder gar körperlich Gewalt auszuüben, was mir sicherlich nicht immer gelingt. Dennoch bin ich bemüht, danach um Verzeihung zu bitten und mich möglichst schnell zu versöhnen. Als Autor ist die Liebe und das friedliche Zusammenleben immer wieder mein Thema, auch wenn ich weiß, dass Literatur eher wenig bewegt. 

 Helga König
Helga König: "Aufrichtigkeit ist die höchste Form des Mutes." Was ist es, das Menschen diesbezüglich mutlos werden lässt? 

Karl Feldkamp: Wir leben angeblich in postfaktischen Zeiten. Scheinbar führt nicht Aufrichtigkeit, sondern politische und geschäftliche, aber auch persönliche Verschlagenheit zu erheblichen Vorteilen und zu Machtgewinn. Geschickte Lügen werden bevorzugt, vor allem, wenn es gilt, Fehlverhalten zu vertuschen oder Geschäfte zu machen. Aufrichtigkeit erfordert besonderen Mut, vor allem, wenn sie zum Nachteil des Aufrichtigen geraten kann. 

Helga König: "Durch Aufdecken seiner Selbsttäuschung können wir einen Menschen zerstören." Können Sie diesen Satz bitte näher erläutern und wie verhält er sich zum Satz "Aufrichtigkeit ist die höchste Form des Mutes."? 

 Karl Feldkamp
Foto: Barbara Feldkamp
Karl Feldkamp: Ein Mensch, der sich ein, für ihn glaubhaftes Selbstbild zurecht gelegt und versucht hat, sein bisheriges Leben danach auszurichten, verliert sicherlich seinen Halt, wenn er nicht mehr danach leben kann, weil es ihm plötzlich und unwiderruflich als Irrtum vorgehalten wird. Es ist daher immer abzuwägen, ob jemand berechtigt ist, ihm dieses Bild und damit seine bisherige Persönlichkeitsgrundlage zu nehmen. In jedem Fall ist dabei Vorsicht und viel Einfühlungsvermögen erforderlich. Im übrigen hat die Wahrheit immer individuelle Anteile. Somit hat auch Aufrichtigkeit einen Anteil, bei dem allenfalls so etwas wie das persönlich beste Wissen und Gewissen zählt. Dennoch gilt ich meine besondere Hochachtung jenen Menschen, die sich stets um Aufrichtigkeit bemühen.

Lieber Karl Feldkamp, ich danke Ihnen vielmals für das aufschlussreiche Interview.
Ihre Helga König

Anbei der Link zur Homepage von Karl Feldkamp:http://karl-feldkamp.de.tl/

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